SCHNITTKURS NACH DER OESCHBERGMETHODE
MIT HELMUT RITTER

12. Dezember 2009

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Nicht nur bei der Ernte: Gespannte Blicke nach oben.

Theorie und Praxis bei winterlichen Temperaturen

Es ist Samstag früh vor dem dritten Advent und es weihnachtet. Bei erstem leichtem Schneefall hat sich im Melkersteich ein für die Witterungsverhältnisse überraschend großes Publikum mit über 30 Interessierten versammelt. Kein Wunder! Haben wir doch einen besonderen Gast: Helmut Ritter aus Strümpfelbach erläutert anhand praktischer Beispiele den Obstbaumschnitt nach der bei seinem Lehrmeister Helmut Palmer erlernten Oeschbergmethode. Eine klare Zuordnung des selbsttragenden Astgerüstes und eine nach oben offene Krone zur Begünstigung des Lichteinfalls ist das Ziel.

Wie man jahrzehntelangen Wildwuchs bändigt

Als erstes und nachgerade beeindruckendes Lehrstück hat er sich einen freistehenden Apfelbaum an markanter Stelle ausgesucht. Der jahrzehntelange Wildwuchs ist perfekt. Überbauung, Beschattung, abgetragenes, weit abhängendes Fruchtholz und mehr prägen das Bild. Das weit verzweigte Geäst wirkt im Kronenbereich - und überhaupt - undurchdringlich und versperrt als Ganzes erfolgreich den Blick aufs Wesentliche.

Mit Augenmaß und Motorsäge

Nach kurzem theoretischen Diskurs nimmt Helmut Ritter Maß und greift zur Motorsäge, denn es gilt zunächst Platz für den Eintritt zu schaffen. Eine starke Astvergabelung fällt. Unter den Augen der aufmerksamen Teilnehmer geht es anschließend mit der Handsäge die Leiter rauf und runter. Immer wieder anschaulich kommentiertes Sägen zur Rücknahme und Verjüngung. Eine Struktur wird erkennbar: Vier Leitäste und die Stammverlängerung, allesamt bislang gut verborgen.
Sie werden jeweils am optimalen Verzweigungspunkt freigestellt, schließlich entsprechend der gewünschten Wuchsrichtung (Umkehrauge!) zur Stabilisierung eingekürzt und die oben liegenden Augen entfernt.
Zu unserer Überraschung bleibt einiges stehen, was wir jetzt spontan der optimalen Form geopfert hätten. Aber der verjüngte Welschisner soll ja auch Früchte tragen (Fruchtäste), unsere Leiter halten (stabile begleitende Fruchtäste an Leitästen und Mitte) und dem Baum zudem Sonnenschutz bieten!

Dem Erziehungsschnitt folgt die Pflege

Nach einer erwärmenden Kostprobe aus Birnendestillat stehen noch zwei kleinere Exemplare auf dem Programm: eine Bayerische Weinbirne und ein Rheinischer Bohnapfel. Beiden hat Helmut Ritter im vergangenen Jahr bereits seinen Erziehungsschnitt angedeihen lassen. Heute sehen wir das Ergebnis und verfolgen die nächsten Schritte. Gemessen am ersten Baum erwartet uns schon eine klare Struktur. Die Reihenfolge "Überzählige Triebe entfernen, bei Steilwuchs Leitastverlängerung auf Umkehrauge schneiden und dabei immer obenliegende Augen entfernen" ist uns allmählich geläufig. Konkurrierende Wassertriebe kommen weg oder werden, sofern möglich, unter die Waagrechte gebunden. Fruchtäste werden bei Unterhang auf vorhandene Fruchtbogen zurückgenommen, Überständiges oder zu stark Gewachsenes entfernt - und manches bleibt zunächst stehen, was in der nächsten Saison Früchte verspricht und damit den Wuchs beruhigt.

Wenn das System steht: guter Ertrag mit weniger Aufwand

Allem gemeinsam ist, dass der Oeschbergschnitt sich das natürliche Wuchsverhalten des Baums zunutze macht. Er fördert eine langfristig gesunde, tragfähige Struktur und erhält Teile, die guten Ertrag und entsprechende Qualität versprechen. Und alles, wenn das System erst einmal steht, mit so wenigen Eingriffen wie möglich.
Was will man mehr? Was uns angeht, am liebsten eine weitere Lehrstunde mit Helmut Ritter. Wir danken ihm herzlich für die Exkursion und seine zahlreichen Informationen. Wenn es Gelegenheit zur Vertiefung oder zur Wiederholung gibt, sind wir gerne wieder dabei.

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Der Vorsitzende des OGV, Rudolf Thaler, begrüßt den Referent Helmut Ritter und die zahlreichen Teilnehmer am Schnittkurs nach der Oeschbergmethode.
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Der Welschisner Apfel ist ideal für eine Demonstration. Helfer und Leitern sind bereit, das Publikum ist gespannt.

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Helmut Ritter nimmt Maß, erläutert die Schnittmethode sowie die nächsten Schritte.

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Eine starke Astvergabelung fällt. Der Eintritt in die innere Baumkrone ist damit geschaffen.

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Vorher: der Welschisner Apfel nach jahrzehntelangem Wildwuchs. Aber er ist kerngesund, wie wir erfahren.

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Nach Rücknahme und Verjüngung: Struktur, Licht und reichlich Besatz. So macht er noch lange Freude.

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Die Bayrische Weinbirne: Hier ist Feinarbeit gefragt.

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Und hier sieht man deutlich, worauf es ankommt.

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Der Rheinische Bohnapfel hat bereits einen Erziehungsschnitt erhalten. 
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Jetzt geht er mit besten Voraussetzungen in die nächste Saison.

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Von Obstqualität über Landschaftsschutz bis zur Vermarktung: Zu Helmut Ritters Programm gehört mehr als die Schnittmethode.

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Wir danken Helmut Ritter für seinen anschaulichen und überzeugenden Vortrag

Das Musterexemplar, den Welschisner, finden Sie am Ende des Betonwegs vom Aussiedlerhof Nägele kommend. Zuerst von der Teckstraße in Richtung Sattelbogen, dann rechts den Teckhang die alte Tecksteige aufwärts. Sein Erkennungszeichen: das "Bänkle". Von hier aus können Sie eine wunderbare Rundwanderung durch die Obstanlage Melkersteich machen und in Richtung Hörnle über den Stuberweg zum Dorf zurückkehren. Die Obstbäume auf Ihrem Rundweg haben wir im Frühjahr 2009 geschnitten. Und in den zwischenzeitlich von uns ausgehängten Nisthöhlen haben vielleicht der Gartenrotschwanz und der schmucke Halsbandschnäpper, der von manchem Schelm auch als Bürgermeistervogel oder Bürgermeisterschreck bezeichnet wird, Quartier bezogen.

Eine gut gemachte Einführung zum Oeschbergschnitt nach Helmut Palmer finden Sie bei der Universität Kassel. Einen Vortrag mit praktischen Beispielen kann das natürlich nicht ersetzen. Aber vielleicht sind Sie bei einem unserer nächsten Schnittkurse wieder dabei. Alle Termine finden Sie in unserem Terminkalender.

Wie sich unsere Bäume entwickelt haben, zeigt die Rückblende zum Schnittkurs mit Helmut Ritter vom 27. November 2010 und vom 26. November 2011.